Samstag, 21. April 2012



Rehaklinik Bad Oexen. 15.11.11

Wir sind eine kleine oder große Gruppe von 11 Jungen Erwachsenen Menschen von 21 bis 31 Jahren mit unterschiedlichen onkologischen Vorgeschichten, unterschiedlichen Stadien der Erkrankung und unterschiedlichen Prognosen.
Wir sitzen am Mittagstisch und können seit der Einreise nicht aufhören, über unsere Gemeinsamkeiten und einige Unterschiede zu sprechen, uns auszutauschen. Jeder will zu Wort kommen, jeder will sein „und ich auch“ aussprechen, endlich ist das auf der Tagesordnung. Gerade reden wir über die Vergesslichkeit und unseres „sich-nicht -konzentrieren-können“. Die Psychologen sagen, das kommt als Folge der Chemo oder anderen Medikamenten oder als Folge einer großen Angst, Todesangst zum Beispiel, oder einer anderen traumatischen Erfahrung häufig vor. Wir tauschen uns aus. Es ist lustig, fast jeder nickt oder sagt „ja ja, bei mir auch“. Fast alle von uns schreiben Spickzettel vor den Arztbesuchen, weil ansonsten die größte Hälfte vergessen wird. Fast alle vergessen Namen, verdrehen Buchstaben, vergessen Vokabeln, vergessen grundsätzlich fast alle Geburtstage, und können so langen geschriebenen Sätzen wie dieser nur noch schwer folgen. J. sagt, dass sie nicht länger als 20 Minuten zuhören kann. Der Aussage folgen erstmal viele begeisterte Zurufe von allen Seiten. Meine Gedanken schweben über das Gemurmel am Tisch. Ich höre nicht mehr zu. Ich denke an meine Freundin, die ich liebe, und die sichtlich verletzt darüber war, als ich etwas Wichtiges vergessen habe, was sie mir gerade vor kurzem erzählte. Sie weiss, dass ich nichts dafür kann, und ich weiss, dass sich das blöd und verletzend anfühlt. Morphindemenz nennen wir das und können zum Glück meistens darüber lachen.
Mit meiner Aufmerksamkeit wieder am Tisch merke ich, wie das warme Gefühl des Nicht-allein-Seins, des Dazu-gehörens hier, an diesem Tisch, sich in mir breit macht. Es tut so gut...

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