1.3.12 Palliativstation des Hyussenstifts
Lange gelebt und nichts aufgeschrieben.
Man soll es nicht glauben, aber ein Kranker kann einen vollen
Terminkalender haben und überhaupt keine Zeit für sich! Da läuft
doch eindeutig etwas schief...
Aus der Studie, die so vielversprechend
war, bin ich rausgeflogen. Laut Statistik dauert es durchschnittlich
ca 6 Monate bis der Tumor eventuell eine Resistenz entwickelt und das
Medikament nicht mehr wirkt. Ich hatte vor, mindestens 12 Monate
daraus zu machen. mein Herz war voller Hoffnung und Zuversicht. Die
Unterhautmetastasen die ich deutlich fühlen konnte und von welchen
ich einige hatte, schrumpften schon am fünften Tag. Das war wie ein
Wunder. Ich jubelte, das Zeug wirkt!!! (es ist nicht
selbstverständlich, die Ansprechrate ist bei diesem Medikament zwar
die beste, (70%!!!) aber es könnte ja auch daneben gehen). Mir ging
es jeden Tag ein bisschen besser, mein Lebensdurst wuchs wie ein
Hefeteig, ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen und durfte sogar in
einer Woche in die Reha. Hach, war das alles wunderbar und
wunderschön. In die Reha bin ich doch noch recht schwach und
wackelig und viel zu dünn mit einem Rollator gekommen. Zurück ging
ich frei und sicher auf eigenen Beinen stehend. Ich habe fast zwei
Kilo zugenommen und sogar wieder ein Paar Muckies gekriegt. Ich
strahlte über beide Ohren, ich hatte wieder Kraft, ich konnte viele
Sachen wieder selbst machen, zur riesiger Freude für mich und für
meine Freundin!
Doch eine Sache hat die schöne
Reha-Zeit doch betrübt. Meine Leberwerte waren 3 Wochen lang zu hoch
und laut Studienvorschriften musste ich die Wunderpillen absetzen.
Jeden zweiten oder dritten Tag habe ich auf Blutabnahme gedrängt und
gehofft dass die Werte nun ausreichen. Ich habe versucht nichts
fettes zu essen, habe auf Süßigkeiten verzichtet und um mein Leben
Wasser getrunken. Nach einer Woche schon meinte ich die
Unterhautknötchen wieder zu fühlen. Panik machte sich in mir breit.
Irgendwann war es aber soweit. Überglücklich schluckte ich wieder
meine Pillen, die Ärzte sagten, dass solche Pausen in der Behandlung
nichts Aussergewöhnliches seien. Eine Woche vor Reha-Schluss fahre
ich nach Essen um einen Staging zu machen und zurück. So ein Staging
muss laut Studienvorschriften alle 2 Monate gemacht werden und man
kann es nicht verschieben.
Zehn Tage später, schon zu Hause
angekommen, gehe ich völlig ruhig zu der Befundbesprechung. Wenn was
wäre, hätten sie schon längst angerufen. Das war schon immer so.
Aber falsch gedacht. Die Tumore sind gewachsen. Ich kann es nicht
fassen, dass sie mich aus der Studie rauswerfen. Die Pillen taten mir
doch gut! Die Krebsbiester schrumpften, ich fühlte das doch! Die
blöde drei-Wochen-Pause war das, wenn nicht sie, wäre das doch
nicht passiert! Aber die Studiengesetze sind streng und müssen
eingehalten werden. Es hieß: „unter der Gabe der Medikation
gewachsen“. Pausen werden da nicht berücksichtigt.
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